Mittwoch, 1. Juli 2020

euro|topics: Angela Merkel: Die richtige Frau zur richtigen Zeit?

Am heutigen 1. Juli übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Wie bereits bei der letzten deutschen Ratspräsidentschaft 2007 heißt die Kanzlerin Angela Merkel. Beobachter sehen ihre wichtigste Aufgabe darin, die EU durch die Corona-Krise zu bringen und die Wirtschaft wieder aufzubauen. Europas Presse traut ihr das größtenteils zu, doch es werden auch Zweifel laut.
DER SPIEGEL (DE)

Kanzlerin braucht keine Rücksicht mehr zu nehmen

Dass Merkel bald die politische Bühne verlässt, könnte der EU jetzt zugute kommen, meint Der Spiegel:
„Merkel ist erklärtermaßen am Ende ihrer politischen Karriere angekommen. Sie will nicht wiedergewählt werden. Deshalb muss sie keine große Rücksicht mehr ... nehmen, sondern kann die Ratspräsidentschaft nutzen, um Projekte voranzutreiben, die das heimische Publikum, zumal seinen konservativen Teil, nicht gerade zu Begeisterungsstürmen anstacheln. ... Es stehen viele ziemlich einschneidende Fortentwicklungen an. Die Widerstände werden beträchtlich sein, innerhalb Deutschlands und innerhalb der EU. Aber damit können sich dann Merkels Nachfolger herumschlagen.“
Henrik Müller
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LES ECHOS (FR)

Nicht auf Wunder hoffen

Es ist nicht ausgemacht, dass die deutsche Kanzlerin ihre gute Ausgangsposition nutzt, um die EU bedeutend voranzubringen, zweifelt Les Echos:
„Das deutsch-französische Paar hält, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist eine Vertraute, sie kennt die Ostländer ebenso gut wie die, die man die 'Sparsamen' nennt und die das vorgeschlagene Haushaltspaket ohne große Schwierigkeiten akzeptieren dürften. Wird Angela Merkel Europa zu einem Quantensprung verhelfen? Unwahrscheinlich. Hindernisse dürften überwunden werden. Aber man darf von ihr keinen großen Reden erwarten für die 'Welt danach', die 'nie wieder so sein wird wie zuvor', wie es in Südeuropa nun heißt.“
Dominique Seux
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CORRIERE DELLA SERA (IT)

Historische Kehrtwende möglich

Merkel könnte den Paradigmenwechsel wagen, glaubt Berlin-Korrespondent Paolo Valentino in Corriere della Sera:
„Unter Merkels vorsichtiger Ägide hat das große und reiche Deutschland nie die Initiative ergriffen, nie eine Zukunft entworfen, wenn überhaupt, führte es aus der Defensive. Oder lehnte, wie in der Finanzkrise von 2010, den großen Akt der europäischen Solidarität ab, der es uns wahrscheinlich erlaubt hätte, eine andere Geschichte zu erzählen. Dass die Bundeskanzlerin über ihren Schatten springen und heute das tun wird, was sie vor zehn Jahren nicht getan hat, nämlich eine teilweise Vergemeinschaftung der Schulden vorzuschlagen, ist auf Grund verschiedener Faktoren gut möglich.“
Paolo Valentino
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