Sonntag, 22. April 2018

Ökologische Gefahren des Datentransports

Santarius: ... Bitcoins sind enorm energiehungrig! Die Blockchain-Technologie, auf der sie gründen, muss reihenweise Datensätze verketten. Eine einzige Transaktion per Digitalwährung fordert rund 10.000-mal mehr Energie als eine Buchung per Kreditkarte. Würden Konzerne oder Privatleute in größerem Stil mit Bitcoins Handel treiben – der Planet wäre sehr schnell ruiniert. Aber das Risiko besteht auch aus einem anderen Grund. [...]
Wirtschaft und Politik sehen in der Digitalisierung in erster Linie einen neuen Wachstumsmotor. Allein vom Internet der Dinge erwartet man in den nächsten zehn Jahren in Deutschland 30 Milliarden Euro zusätzliche Gewinne für die Industrie und ein Prozent Wachstum pro Jahr. Aus ökologischer Sicht ist das fatal. Mehr Wachstum bedeutet, dass mehr produziert und verbraucht wird. [...]
Santarius: Die Rechnerleistung pro Kilowattstunde etwa hat sich alle 1,5 Jahre verdoppelt – aber zugleich stieg die Leistungsfähigkeit der Prozessoren, und Bildschirme und Datenzentren brauchten viel mehr Strom. Auch die Beschleunigung unseres Lebenstempos geht mit Rebound-Effekten einher. [...]
Videos ersetzen zunehmend Fotos in sozialen Netzwerken, werden im Marketing und in E-Books eingesetzt. Das fordert wieder Rechenleistung, neue Geräte und mehr Strom. Wenn sich künftig 3-D-Filme mit Virtual-Reality-Animationen durchsetzen, dann steigen die Datenmengen im Vergleich mit herkömmlichen DVD-Filmen um das 40-Fache an – und damit der Energieverbrauch. [...]
Santarius: Die Energiepreise sind der Schlüssel dazu, dass sich nur die nachhaltigen Nutzungsformen der Informationstechnologien durchsetzen. Deshalb sollte ein Teil der Automatisierungsgewinne, die die Digitalisierung bringt, durch Steuern auf Energie und Ressourcen umverteilt werden. Die alte Idee der Ökosteuer muss als digital-ökologische Steuerreform neu belebt werden.
ZEIT: Gibt es noch mehr Instrumente?
Santarius: Wichtig wäre zum Beispiel, die regionale Wirtschaft mit kürzeren Transportwegen und ökologischen Kreisläufen zu unterstützen. Die Politik könnte dezentrale Energienetze fördern, ebenso regionale Unternehmenskooperationen auf Internet-Plattformen.
ZEIT: Sie plädieren für eine "sanfte Digitalisierung". Was meinen Sie damit?
Santarius: Sanft heißt zunächst: Wir müssen Tempo rausnehmen. Bislang huldigen die meisten Regierungen einer "Disruption", wie sie sich vor allem die Finanzindustrie wünscht. Kritiklos öffnen sie laufend neue Räume für digitale Anwendungen wie selbstfahrende Autos oder digital gesteuerte Smart Cities – und hinken dann den Problemen hinterher. Was fehlt, ist eine öffentliche Debatte, welche Digitalisierung wir wollen und welche nicht. (ZEIT 6/2018 1.2.18)

An 3. Stelle weltweit stünde das Internet in Sachen Stromverbrauch, wenn es ein Land wäre - hinter China und den USA  (ZEIT 6/2018 1.2.18)

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