Montag, 27. Oktober 2025

euro|topics: Zeitumstellung: Muss das noch sein?

In der Nacht auf Sonntag sind die Uhren auf Winterzeit zurückgestellt worden. Viele Menschen konnten eine Stunde länger schlafen – oder über den Sinn der Zeitumstellung nachdenken. Der spanische Premier Pedro Sánchez will sich in der EU für deren Abschaffung einsetzen und sieht die Mehrheit der Europäer eindeutig hinter sich. Ein Blick in die Kommentarspalten zeigt jedoch ein differenzierteres Bild.

news.bg (BG)

Argumente aus der Vergangenheit

Die Zeitumstellung ist nicht mehr zeitgemäß, findet news.bg:

„Als Strom hauptsächlich für die Beleuchtung verwendet wurde, brachte die Zeitumstellung tatsächlich gewisse Einsparungen mit sich. Heute ist diese Logik jedoch überholt. Die modernen Volkswirtschaften sind rund um die Uhr aktiv, Menschen arbeiten in Schichten, die Beleuchtung ist energiesparend und der Großteil des Verbrauchs entfällt nicht auf Lampen, sondern auf Klimaanlagen, Computer und Elektrogeräte, die unabhängig von der Sonne betrieben werden. Die Europäische Kommission räumte bereits 2018 ein, dass die energetischen Vorteile der Zeitumstellung minimal oder ungewiss sind. In einigen Ländern ist sogar ein gegenteiliger Effekt zu beobachten: Die Menschen verbrauchen morgens, wenn es noch dunkel ist, mehr Strom.“

Julian Markow
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El País (ES)

Im Einklang mit der menschlichen Biologie

Einen positiven Effekt der Zeitumstellung beschreibt Umweltepidemiologie Manolis Kogevinas in El País:

„Sonnenlicht ist das wichtigste Signal, das unseren Körper mit Tag und Nacht synchronisiert. ... Die Zeitumstellung soll uns genau im Einklang halten und die Sonnenstunden maximieren, in denen wir wach und aktiv sind. In diesem Sinne entspricht diese Maßnahme der menschlichen Biologie. ... Hören Sie auf Ihren Körper: Wachen Sie mit dem Sonnenlicht auf, nicht mit Ihrem Wecker. Ihre biologische Uhr wird es Ihnen danken.“

Manolis Kogevinas
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Lidové noviny (CZ)

Da könnte ruhig mal Brüssel entscheiden

Kommentator Tomáš Procházka wirbt in Lidové noviny für ein Machtwort aus Brüssel:

„Es würde zweifellos unserem Körper und unserem Geldbeutel guttun, wenn wir ernsthaft darüber nachdenken würden, ob wir dieses einst effektive, heute aber starre und völlig unnötige Modell der Zeitumstellung noch brauchen. Die Europäische Kommission wird und kann uns diesbezüglich nichts vorschreiben. Sie wird lediglich Empfehlungen aussprechen – und dann liegt es an den einzelnen Mitgliedstaaten, zu entscheiden, welcher Zeitachse sie künftig folgen. Aber obwohl wir die europäische Zentralisierung in vielerlei Hinsicht vehement ablehnen, würde ich persönlich in diesem Fall die Entscheidung Brüssels zur Vereinheitlichung der Zeit und zur ursprünglichen, das heißt mitteleuropäischen Zeit, nur begrüßen.“

Tomáš Procházka
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Ilta-Sanomat (FI)

Jetzt keinen Streit vom Zaun brechen

Die EU hat wahrlich genug andere Probleme, seufzt Ilta-Sanomat:

„Ist es überhaupt notwendig, über Sommer- und Winterzeit zu streiten, wenn wir gemeinsam gegen die aggressive Kriegspolitik Wladimir Putins und einen möglichen Krieg, der ganz Europa bedroht, kämpfen müssen? Es gibt wohl keine eindeutige Antwort auf diese Fragen, da verschiedene Menschen unterschiedlich reagieren. Klar ist jedoch, dass die Europäische Union ihre Zeit nicht mit sinnlosen Debatten über die Umstellung der Uhren verschwenden sollte. Wenn und sobald die Umstellung irgendwann abgeschafft wird, muss die Entscheidung so getroffen werden, dass sie Europa zumindest nicht spaltet.“

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Der Tagesspiegel (DE)

Den Zauber der Stunde nutzen

Der Tagesspiegel begreift die Zeitumstellung als einen Akt der Rebellion gegen die allgemeine Schnelligkeit:

„Die Uhr wird zurückgestellt. Jeder weiß, dass es unmöglich ist. Zeit vergeht, sie kommt nicht wieder. So liegt in dieser einen Stunde, die gleichsam aus der Zeit fällt, ein gewisser Zauber. Erfahrungsgemäß bemerkt man es am nächsten Morgen. Etwas fühlt sich anders an, etwas hat sich leicht verschoben. Es könnte ein Moment sein, ein Licht anzuzünden.“

Rüdiger Schaper
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Dazu Fonty: Ich habe den Eindruck, dass die Zeitumstellung gegen die biologische Uhr geht, weil der Körper sich m.E. innerhalb weniger Wochen umstellt; aber das früher aufstehen ist mir immer etwas ärgerlich, obwohl ich seit einiger Zeit nachts nicht wieder einschlafe und "notgedrungen freiwillig" aufstehe, bis ich wieder schlafen kann. 
Aber "Den Zauber der Stunde nutzen" ist ein guter Gedanke.

Freitag, 24. Oktober 2025

Der Sudankrieg ist noch verheerender als der Gazakrieg

 Während der Gazakrieg die Glaubwürdigkeit des Staates Israel als Zufluchtsstätte für verfolgte Juden in aller Welt fragwürdig werden lasst, ist der Sudankrieg wegen der Zahl der Todesopfer noch verheerender. Inzwischen sind es nach glaubhaften Berichten über 150 000 (Gazakrieg zwischen 60 000 und 70 000).

Im Fall der USA war es so, dass der Vietnamkrieg die Glaubwürdigkeit der USA als Weltpolizist brüchig werden ließ. Der Eintritt der USA in den Krieg gegen Hitler hat ein Beispiel dafür gesetzt, dass ein Eingreifen einer zunächst unbeteiligten Macht in einen Krieg im Sinne der Gerechtigkeit notwendig sein kann (Voraussetzung für das peacekeeping der UN).

Daran konnten bis zum Vietnamkrieg auch fragwürdige Eingriffe der USA nicht viel ändern. Vollends beseitigt wurde sie dann durch Abu Ghuraib und die Gefangenlager in Guantanamo, die bis heute nicht geschlossen werden konnten. 

Im Gazakrieg hat der unverhältnismäßige Militäreinsatz die Glaubwürdigkeit der Selbstverteidigungsbemühungen Israels erschüttert.

Beim Sudankrieg ist das Erschreckende, dass er von der Weltöffentlichkeit kaum wahrgenommen wird und keine größere Macht sich verantwortlich dafür fühlt, zu seiner Beendigung beizutragen, auch nicht die UNO. 

Die folgenden Hinweise verdanke ich  peace87 auf gutefrage.net:

Abu Lulu - Der Schlächter von Darfur (Recht, Politik, Geschichte) - gutefrage https://www.gutefrage.net/diskussion/abu-lulu---der-schlaechter-von-darfur

Responsibility to Protect für den Sudan!? (Recht, Deutschland, Geschichte) - gutefrage https://www.gutefrage.net/diskussion/responsibility-to-protect-fuer-den-sudan

Sudan - Blut und Leichenberge, können aus dem Weltall gesehen werden (Recht, Politik, Gesellschaft) - gutefrage https://www.gutefrage.net/diskussion/sudan---blut-und-leichenberge-koennen-aus-dem-weltall-gesehen-werden

"Trotz der Entschlossenheit der Vereinten Nationen, die Schutzverantwortung ("Responsibility to protect") als völkerrechtliche Norm einzuführen, war insbesondere Darfur ein schockierendes Beispiel für einen Genozid im 21. Jahrhundert, an dem jegliche weltweite Kritik abprallte. [...] / Die Genozide der letzten drei Jahrtausende weisen zahlreiche Ähnlichkeiten auf. Allem voran dient Krieg als Nährboden für Völkermord. 

Militärische Auseinandersetzungen und Zerstörung gehen häufig nahtlos in einen Genozid über. Die Entmenschlichung vermeintlicher Feinde [...] interner Feinde im Fall des Ringens um politische Vormachtstellung – geht Genozidaktionen voraus und begleitet sie. (Norman M. Naimark: Genozid. Völkermord in der Geschichte, S. 196/197 )


Wenn bei Israel mit der Annahme des 20-Punkte-Plans von Trump und dem darauf basierenden Abkommen ein Ansatz von Verständigungsbereitschaft zu erkennen war, ist der mit den Vorbereitungen für eine Annexion des West-Jordan-Landes schon wieder zerstört.

vgl. "Wie zuvor die USA hat auch die deutsche Bundesregierung die Abstimmung im israelischen Parlament zur Vorbereitung einer faktischen Annexion des besetzten palästinensischen Westjordanlandes verurteilt. Die Entscheidung weise in eine Richtung, "die wir für grundfalsch halten", sagte eine Sprecherin des Außenministeriums der Nachrichtenagentur Reuters. Die Bundesregierung lehne jede völkerrechtswidrige Annexion ab. " (ZEIT 24.10.12)

Dienstag, 21. Oktober 2025

Gesetze und Bürokratieabbau

 Gesetze schaffen Ordnung, sie sind die Grundlage des Rechtsstaates. Moderne Demokratie kommt ohne sie nicht aus.

Von Seiten der Wirtschaft hat man Deregulierung gegen sie ins Spiel gebracht. Seit der Finanzkrise 2007-2008 ist Deregulierung allerdings in Misskredit gekommen. Deshalb hat man jetzt statt dessen das Schlagwort Bürokratieabbau gefunden. Das klingt sehr positiv, schadet aber dem Rechtsstaat und der Durchsetzungsfähigkeit von Reformen.  

Rousseau, der sonst ja gegen gesellschaftliche Zwänge gekämpft hat, hat dafür die Formel gefunden: "Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist  es die Freiheit, die unterdrückt und das Gesetz, das befreit." Klassische Beispiele dafür sind Verbraucherschutz und Mitbestimmung, aber auch die Kartellgesetzgebung.

Hinzu kommt, dass Privatisierung, die oft damit begründet wird, dass sie Bürokratie einspare, nicht selten mit Vermehrung von notwendig werdenden Gesetzen einhergeht:

"Privatisierung geht insofern nicht nur mit Formen der Deregulierung, sondern auch mit Re-Regulierung Hand in Hand: neben dem Wettbewerbsrecht gilt dies etwa für die Preispolitik. So wurden im Zusammenhang mit Privatisierungen in OECD-Ländern zahlreiche Regulierungsbehörden eingerichtet. Der Politikwissenschaftler Giandomenico Majone spricht daher davon, dass Deregulierung „ein notorisch missverständlicher Terminus“ sei.[6] Aus der Perspektive der Theorie des regulativen Kapitalismus wird vertreten, dass das Ausmaß der Regulierung durch die Bemühungen um Privatisierung und   Globalisierung seit Anfang der 1980er Jahre eher zu- als abgenommen habe." (Wikipedia)

Dass gesetzliche Regelungen sogar zur Benachteiligung von Schwachen führen kann, zeigt sich an der komplizierten Steuergesetzgebung, die dazu führt, dass Milliardenvermögen bei der Vererbung oft prozentual deutlich geringer besteuert werden als Kleinvermögen. Denn die Steuerexperten der Großunternehmen können Sparmöglichkeiten herausfinden, die für Normalverdiener ausgeschlossen sind.

Zum Exzess diese Effektes  kam es beim Cum-Ex-Steuerbetrug. Der Staat wurde dabei nicht nur um Milliarden betrogen, sondern als er die Betrugsaffäre herausgefunden hatte, sogar so beraten, dass in der neuen Gesetzgebung eine weitere Lücke für den Betrug geschaffen wurde. Noch heute sind Milliarden noch nicht zurückgezahlt, und ein Alt-Bundeskanzler weiß nicht, ob er nicht selbst den Betrug begünstigt hat. 

Wie man sieht: Wenn die Starken so stark sind, dass "das Gesetz heute fast nur noch zum Vorteil der Kapitaleigentümer gemacht wird. Hierdurch wird dann realiter Wirtschaftswachstum behindert und nicht durch Bürokratie." (Heinz-J. Bontrup: "Der Wert der Bürokratie", FR 21.10.25)



Mittwoch, 15. Oktober 2025

euro|topics: Kann das Gaza-Abkommen dauerhaften Frieden schaffen?

Nach mehr als zwei Jahren Krieg haben die Vermittlerstaaten am Montag im ägyptischen Scharm el-Scheich das Gaza-Abkommen unterzeichnet. Israel und die Hamas hatten die Einigung bereits am Donnerstag gebilligt, zu der unter anderem die Freilassung der israelischen Geiseln und eine Waffenruhe gehören. Nun soll über weitere Schritte im Friedensprozess verhandelt werden. Skepsis und Hoffnung bei Kommentatoren.

The Irish Times (IE)

Den flüchtigen Moment in Substanzielles verwandeln

Nun bleibt zu hoffen, dass nach dem Friedens-"Deal" Trumps Einsatz auch bei der langwierigen Umsetzung nicht nachlässt, so The Irish Times:

„Für Trump besteht die Herausforderung darin, einen Moment der Inszenierung in etwas Dauerhaftes zu verwandeln. Sein Instinkt zielt auf Deals, nicht auf deren Umsetzung. Doch ohne anhaltendes Engagement, finanzielle Mittel, diplomatisches Geschick und Zurückhaltung könnte die Lage schnell wieder ins Chaos abrutschen. Für Israelis und Palästinenser mag das Geschehen von gestern nur eine kurze Atempause bedeuten. Und doch hat in einem Konflikt, der von seiner Aussichtslosigkeit geprägt war, selbst ein flüchtiger Moment der Erleichterung Gewicht. Er erinnert daran, dass sich die Friedensmaschinerie in Bewegung setzen kann, wenn sie jemand, und sei es wider alle Erwartungen, in Gang setzt.“

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Echo (RU)

Wo der US-Präsident nicht recht hat

Nahostkenner Michail Krutichin widerspricht Aussagen von Trump in einem von Echo übernommenen Telegram-Post in drei Punkten:

„1. Trump: 'Der Krieg in Gaza ist vorbei.' Das stimmt nicht. Die Hamas ist nicht nur nicht vernichtet, sondern auch nicht besiegt. Es wird keine Nicht-Hamas-Anhänger in Gaza geben. Die Hamas hat bereits begonnen, dafür zu sorgen. 2. Trump hat den Krieg beendet. Nicht ganz. Nicht die Amerikaner, sondern die Israelis haben mit [der Gaza-Offensive] 'Gideons Streitwagen 2' und dem Überraschungsangriff auf Katar die Hamas gezwungen, die Geiseln freizulassen. ... Trump spielte dabei eine unterstützende diplomatische Rolle. 3. Trumps 'Frieden im Nahen Osten' wird für viele Jahre ein leeres Schlagwort bleiben, wenn es keine israelische militärische Lösung in Gaza gibt.“

Michail Krutichin
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Politiken (DK)

Israel sollte auf den Iran zugehen

Donald Trumps Rede in der Knesset am Montag könnte den Weg für eine langfristige Lösung im gesamten Nahen Osten aufzeigen, glaubt Politiken:

„Trump hat auch Recht damit, dass Israel Iran die Hand reichen sollte. ... Der Gaza-Krieg und seine geopolitischen Folgen haben den Nahen Osten verändert und neue Möglichkeiten eröffnet. Israel ist militärisch gestärkt, aber diplomatisch geschwächt. Die Sache der Palästinenser ist in weiten Teilen des Westens zu einem wichtigen Thema geworden. In Syrien hat ein Regimewechsel stattgefunden, und die Hisbollah ist geschwächt. Die arabischen Länder scheinen bereit zu sein, bei der Schaffung einer dauerhaften Lösung zu helfen. Die Zeit für die Schaffung eines neuen Nahen Ostens ist jetzt gekommen, und auch Trump scheint bereit zu sein, darauf zu drängen.“

Marcus Rubin
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Die Welt (DE)

Europa darf nur zuschauen

Ein Kontinent hat wieder einmal keine Rolle gespielt, stellt der Global-Reporter der Welt, Constantin Schreiber, fest:

„[N]och nie ist uns unsere Bedeutungslosigkeit so klar und offen vor Augen geführt worden wie jetzt, wenn im Nahen Osten vielleicht Weltgeschichte geschrieben wird und Europa nur zuschauen darf. ... Ein arabischer Israeli sagte mir kürzlich, als er Bilder der 'Freedom Flotilla' sah, Greta Thunberg symbolisiere für ihn Europa: Nicht mehr ernstzunehmen. Und höchstens noch gut, um etwas Geld beizusteuern. ... Der Gaza-Krieg war nicht nur ein regionaler Einschnitt. Wir Europäer haben durch ihn eine Wirklichkeit gesehen, die uns zu denken geben muss.“

Constantin Schreiber
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Der Spiegel (DE)

Zweistaatenlösung bleibt das Ziel

Das Ende des Krieges ist eine Gemeinschaftsaufgabe, betont Der Spiegel:

„Und aus der dürfen europäische Regierungen sich nicht heraushalten. Es ist insbesondere an Berlin, den eigenen Einfluss auf Jerusalem geltend zu machen. Schließlich ist Deutschland nach den USA noch immer Israels wichtigster Partner – und kann als Verbündeter Brücken bauen zu großen Teilen der Welt, die Israel wegen dessen verheerender Kriegsführung als Pariah sehen. Lange war die Zweistaatenlösung zu einem frommen Lippenbekenntnis unter westlichen Regierungen verkommen. ... Sie bleibt trotzdem die einzige Aussicht auf einen nachhaltigen Frieden in der Region. Es ist an Europa, sie mit Leben zu füllen – wenn Trump weitergezogen ist, um den nächsten Krieg zu beenden.“

Muriel Kalisch
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The Economist (GB)

Einigung auf wackeligen Beinen

Das Vorgehen der Hamas auf den Straßen Gazas führt vor Augen, wie zerbrechlich der Frieden noch ist, betont The Economist:

„Die militante islamistische Gruppe geht bereits daran, eine Nachkriegsrealität in Gaza zu schaffen. Sie hat Tausende Männer auf die Straßen geschickt, die mit Gewehren bewaffnet patrouillieren, nicht selten in Zivilkleidung. Die Details sind noch unklar, doch kam es in den letzten Tagen auch zu heftigen Zusammenstößen mit anderen Palästinensern. ... All das unterstreicht die dringende Notwendigkeit einer Friedenstruppe, die die Sicherheit garantiert, wie sie Trumps Plan vorsieht. Gaza ist voller Waffen und verzweifelter Menschen, und die Hamas hat kein Interesse daran, ihre eigenen Waffen abzugeben.“

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Kann das Gaza-Abkommen dauerhaften Frieden schaffen?
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Droht ein russischer Angriff aufs Baltikum?

Estnische Grenzer beobachteten am Freitag einige schwer bewaffnete Soldaten ohne Erkennungszeichen im "Saatse-Stiefel". Dort führt die Straße in das kleine Dorf Saatse einen Kilometer lang über russisches Territorium. Weiter geschah dann nichts – außer, dass die estnischen Behörden die Durchfahrt vorsorglich sperrten. Sind die baltischen Staaten akut bedroht? Der Vorfall heizte die Debatte um diese Frage erneut an.

Sergej Medwedew (RU)

Genauso absurd wie der Einmarsch in der Ukraine

Politologe Sergej Medwedew hält auf Facebook einen Überfall für möglich, weil Moskau bewiesenermaßen zu irrationalem Handeln fähig ist:

„Ein Angriff Russlands auf die Nato erscheint heute absurd, aber ebenso absurd erschien vor vier Jahren ein Angriff auf die Ukraine. Die wichtigsten Trümpfe Russlands sind Mobilmachung, Unberechenbarkeit, Irrationalität, Hybridität und eine gefügige Gesellschaft. Mit anderen Worten Dummheit und Mut – oder besser gesagt die Bereitschaft, zu sterben und jedes Risiko einzugehen. Diesen Eigenschaften hat die Nato nichts entgegenzusetzen. Ich sehe nichts, was Russland davon abhalten könnte, eines der baltischen Länder oder Polen anzugreifen – es riskiert wirklich nichts, warum sollte man es da nicht versuchen?“

Europas Schwachstellen sind anderswo

Journalist Edward Lucas warnt in Eesti Päevaleht vor überzogenem Alarmismus ebenso wie vor Kapitulationsstimmung:

„Russland hat seine Attacken auf die Infrastruktur der Ostsee und der umliegenden Länder intensiviert, die jedoch unterhalb der Schwelle zum Einsatz militärischer Gewalt bleiben. In den Medien erscheinen Horrorgeschichten ... Wenn Russland tatsächlich eine ernsthafte Provokation gegen Estland plant, könnte es dann tatsächlich so beginnen? Ich bezweifle das. Estland ist bis an die Zähne bewaffnet, hat die starke Unterstützung mächtiger Nato-Verbündeter und ist bereit, sich zu verteidigen. Ich bin viel mehr besorgt über die schwache Verteidigung und Kapitulationsstimmung in einigen anderen europäischen Ländern.“

Psychologische Kriegsführung altmodischer Art

Latvijas Avīze analysiert das Auftauchen obskurer russischer Bewaffneter an der estnischen Grenze:

„Offenbar handelt es sich um sogenannte psychologische Kriegsführung. In einer Zeit, in der regelmäßig unbekannte Drohnen in der Nähe wichtiger Objekte in europäischen Städten wie Flughäfen auftauchen (aber jeder weiß, wer dahinter steckt), verschiedene Sabotageakte und dergleichen stattfinden, könnten 'kleine grüne Männchen' sogar als eher veraltete Idee gelten, doch nirgendwo wird erwähnt, dass sie abgeschrieben wäre. Russlands Taktik, so zu tun, als hätte es mit dem Geschehen nichts zu tun und als sei überhaupt nichts geschehen, ist jedoch dieselbe geblieben.“

Gefahrenquellen rasch beseitigen

Postimees fordert nach dem Vorfall in Saatse schnelleres Handeln vom Staat, um die Sicherheit Estlands zu erhöhen:

„Die estnischen Behörden sind sich schon seit geraumer Zeit bewusst, dass als Alternative eine Umgehungsstraße gebaut werden muss. ... Innenminister Igor Taro sagt, dass die Straße schneller gebaut werden sollte, ohne die übliche Umweltverträglichkeitsprüfung. Saatse ist nicht der einzige Fall. Auch andere Gefahrenquellen müssen beseitigt werden. Als Vorbild könnte dienen, wie wir es geschafft haben, die Verbindung zum russischen Stromnetz zu kappen. Wir müssen auch mit der russischen Schattenflotte oder den Propagandisten unseres östlichen Nachbarn fertig werden.“