Die Erinnerung an den Holocaust ist keine Frage der Abstammung, der Nationalität oder der Hautfarbe. von Saba-Nur Cheema
Recht hat sie und man sollte ihren Beitrag ganz lesen, um das volle Recht dieser Aussage nachvollziehen zu können.
Allerdings macht es dennoch einen Unterschied, ob man diese Aussage als Deutscher oder als Jude, als Weißer oder als Schwarzer, als Nachkomme Himmlers oder eines Holocaustopfers macht.
Saba-Nur Cheema beginnt ihren Beitrag:
"Ich war sehr bewegt, als meine Mutter die Geschichte von Anne Frank erzählte. Ohne es in Worten fassen zu müssen, dachten wir beide in diesem Moment an die Verfolgung und Flucht meiner Eltern aus Pakistan. Durch die Lektüre des Tagebuchs erfuhr ich zum ersten Mal von der Schoah." (ZEIT 26.1.22)
Als Migrantin und Geflüchtete hatte sie einen anderen Zugang zum Schicksal von Anne Frank als ein Bewohner des Gaza-Streifens. Umso wichtiger, dass von jemandem, der damit nicht einer Verantwortung ausweichen will, gesagt wird:
"Die Schoah ist nicht nur" deutsche (Geschichte), "sondern Menschheitsgeschichte". Dabei sollte man nicht außer Acht lassen, dass es natürlich auch ganz unterschiedliche Aspekte deutscher Geschichte und der Menschheitsgeschichte* gibt und dass selbstverständlich alle diese Teilaspekte der Menschheitsgeschichte sind.
Übrigens, wie liest sich der Satz "Die Schoah ist nicht nur jüdische, sondern Menschheitsgeschichte"? Fügt er dem Vorhergehenden aus Ihrer Sicht einen neuen Aspekt hinzu?
*Zum einen möchte ich darauf aufmerksam machen, dass oben sehr unterschiedliche "deutsche Geschichten" und "Menschheitsgeschichten" verlinkt sind, aber außerdem auf das Buch Anfänge. Eine neue Geschichte der Menschheit, Stuttgart 2022 von David Graeber und David Wengrow hinweisen, die annehmen, dass es im Laufe der Menschheitsgeschichte immer wieder und an den verschiedensten Orten Phasen erstaunlich egalitärer Machtverteilung gab, die von heutiger Staatlichkeit aus gesehen, als Anrachien gelten können.
Rezension von Lars Weisbrod in der ZEIT 27.1.2022
Interview mit David Wengrow in SWR2 Stand 28.1.22
Wengrow weist darauf hin, dass Kondiaronk und Louis-Armand de Lom d’Arce, auch genannt Baron de Lahontan, einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Aufklärung hatten, der in der europäischen Geschichtsschreibung zu Unrecht weitgehend ausgeblendet oder schlicht vergessen worden ist. Ausführlich äußert er sich zum Begriff Schismogenese.
Es ist wenig originell, wenn ich jetzt behaupte, dass der Holocaust ohne zentral organisierte Staatlichkeit nicht möglich gewesen wäre. Oft wird staatlich organisierter industrieller Völkermord als das Alleinstellungsmerkmal des Holocaust gesehen, das ihn in der Menschheitsgeschichte als Singularität heraushebt.
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